O – Mach es dein Yoga

O – Mach es dein Yoga

O ist die Null, das noch nicht bestimmte Multivalente.

O ist dein persönlicher Slogan, so mach es dein eigenes Yoga!

Ich kann viel besser meine eigene Yoga-Praxis, die mir bekannt ist und die ich mit meinen Schülern mitteile, mit einem O beschreiben: minimal, komplett, rund, unbestimmt, leer. Meiner Meinung nach beinhaltet Yoga viel mehr als nur das von der Milliardenindustrie weitgehend dargestellte Massenphänomen. Bei Yoga geht es nicht um Ge­mü­seessen oder um “eine gute, balancierte Person” zu sein (was auch immer das zu bedeuten hat). Es ist eine persönliche Angelegenheit, ein Glaube an deine eigene Praxis, eine Lebensart und -weise und eine Haltung gegenüber allem, was du machst. Ein Yogi ist nicht dieser, der den perfekten Asana macht, sonder derjenige, der in allem, womit er (oder sie) sich beschäftigt, immer authentisch, en­ga­giert und bestrebt bleibt. Aktion in vollen Zügen.

Als ich mein eigener Yoga-Ansatz zu verstehen und klarzumachen begann, bin ich hungrig gewesen. Und ich bin es noch! Ich bin hungrig darauf jede einzelne Aspekte, zu der ich Zugang hätte, zu erforschen. Meine ersten Schritte als Yogi machte ich in Asien. Zu dieser Zeit lebte ich glücklicherweise in Singapur – eine Stadt, wo das Yoga-Universum (im Gegensatz zu ihrem politischen Umfeld) lebendig, intensiv und vielfältig ist. Zuerst hielt mich meine Vorstellung über Yoga zurück: ich dachte, es wäre zu mystisch, zu verschlossen, zu dogmatisch. Wie auch immer, eines Tages besuchte ich einen Kurs, der sofort mit mir in Resonanz geriet. Dieses erste Treffen mit Yoga geschah durch Hatha (ich danke dir Rashita!). Der langsame Rhythmus brachte mir eine fundamentale Erfahrung und eine Erkenntnis ein, die ich noch nie zuvor bei irgendeiner anderen Art von (physikalischen) Praxis erlebt habe. Zum ersten Mal begriff ich, wie die Atmung wirklich absolut alles war: mental, physisch, energetisch – die ultimative Verbindung zwischen Geist und Körper.

Ich war völlig perplex bei dem Gedanken etwas so “primitives” und Grundlegendes, wie die Atmung, könnte mir die Möglichkeit geben, die vermeintlich körperlichen und geistigen Einschränkungen zu übertreffen. Hatha zeigte mir die Grundlagen, und mir wurde klar, dass das größte Geheimnis des Yoga buchstäblich “in der Luft” war – purer Fokus, purer Sauerstoff, pure Prana.

Ich fing an die Kurse in der Studio mit regulären Übungen zuhause zu kombinieren. Na ja, ich meine, man braucht natürlich ein gewisses Maß an Hartnäckigkeit, um sich so anzustrengen. Aber je mehr ich es tat, desto mehr bekam das Sinn für mich. Ich entdeckte Vinyasa und genoss die eleganten und reizvollen Übergänge, die Herausforderung, den Rhythmus. Und es war mehr als bloßes ästhetisches Vergnügen; Vinyasa lehrte mich Eleganz und Strategie, auf die Atmung und die Aufmerksamkeit zu fokussieren, und erhöht deren Stärke bei der kraftvollen Übergänge. Aber verstehen Sie mich nicht falsch, Hatha ist auf keinen Fall einfacher, ihre Herausforderungen sind einfach verschieden. Während Vinyasa sich auf Fluss und Übergang fokussiert, hebt Hatha die Haltepunkte hervor und fördert die Fähigkeit „stehen zu bleiben“ und „die Arbeit zu machen“. Unkompliziert und simpel.

Mittlerweile stolperte ich über Ashtanga – vielleicht die mehr echter und weniger überbewerteter Ursprung der berühmten Vinyasa.  Am Anfang war es für mich nicht sehr spannend wegen ihrer strengen Aufeinanderfolge, aber später entfaltete sich ihre Kraft wie ein starkes Aroma, das Zeit braucht, um geschätzt zu sein. Wie könnte ich in so begrenzten Rahmen Kreativität finden, dachte ich? Ich probierte es noch einmal und noch einmal und dann, wie ein mächtiges Mantra in Bewegung, virtuos in seiner Minimalität, umwandelte sich Wiederholung in Fokus. So nahm ich von Ashtanga die Energie und die Vitalität, den Willen, die Kraft und das Feuer.

Aber neben dem Feuer, da war auch die kühlere und dunklere Seite des Yoga, das Yin. Einige Zeit lang wechselte ich wirklich kraftvolle Übungen mit regulären Phasen von passiven und statischen Yoga ab. Yin wurde zu einer neuen Herausforderung nach seiner eigenen Regeln. Es gab mir nicht nur den Raum für eine meditative körperliche und geistige Praxis, sondern auch eine Erkenntnis wie wichtig es sei einfach “nichts tun” zu können. Wenn ich einmal die Position genommen habe, gestatte ich ihr sich einzuleben, als sei sie eine aktive Form, die bewusst bemüht ist nichts zu erreichen. Und je längere Zeit ich stehen blieb, desto besser konnte ich wirklich sehen wie sich mein physischer Körper mit der Erde verband, die Vorübergänglichkeit meiner Gedanken und Emotionen, die Vorübergänglichkeit des Gesehenes und Gehörtes, all die Dinge, die zerfallen. Für mich, die hartnäckige Yogini, drehte sich bei Yin alles um Lernen, wie man aussehen muss und dann einfach weglässt. Und langsam gelang es Yin eine reale und virtuelle Flexibilität einzubringen, um das brennende Feuer zu balancieren.

Meine Lehrerausbildung – einführend zu Intelligenz, Abstraktion und Strategie – gab mir einen Einblick verschiedener Art: die Idee die Nicht-Dualität zu erkennen, den Chaos zu akzeptieren und komfortabel mit dem Unkomfortablen, und bekannt mit dem Unbekannten zu werden, während man all diese Dinge in sich aufnimmt, indem man sie erlebt. Das war eine große Lebensmetapher, die wirkliche Intention und Bedeutung einer Yogini auf und abseits der Matte zu sein. Dank Anusara und tantrischer Philosophie war ich auf neue Ideen ausgesetzt, mit denen ich mich identifiziert fühlte. Mein analytischer Verstand war von der Ausrichtungsprinzipien und dem neuen Maß an Präzision, die mir Anusara offenbarte, fasziniert. Ich war süchtig! Das Üben anhand der Ausrichtung bedeutet Bewusstwerden und selbst binnen der einfachsten Asana wird jede Pore, jedes Haar, sogar die kleinste Körperzelle zur Kenntniss gebracht. Doch ihre Schönheit beruht auf der Tatsache, dass die perfekte Ausrichtung nicht diktiert ist, sondern latent und variabel, einzigartig und individuell für jeden von uns. Auf diese Weise entdecken wir jeden Tag unseren neuen Körper, wenn wir auf die Matte mit einem Anfänger-Geist kommen und mit einer Leichtigkeit des Seins üben, dennoch mit Beharrlichkeit und vollem Bewusstsein. Was heute klappt, könnte morgen nicht gelungen! Und genau das ist diese feine flackernde Linie, mit der wir jeden Tag zu tun haben.

Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende und sie wird es nie sein. Es gibt so viele interessante Ideen und Leute, die während dieser Reise meine Praxis und Unterricht beeinflusst haben. Ich glaube, dass die eigentliche Herausforderung nicht nur darin besteht, deinen verborgenen Potenzial zu entdecken, sonder auch deine persönliche Yoga-Methode, da Yoga eine At­ti­tü­de, einen Lebensstil, einen Geis­tes­zu­stand ist.

Mach es deins! Dies ist, worum es bei Yoga geht. Das O!

Foto: © Maygutyak / Fotolia.com

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